Bücher von Joachim Dieter Schulze

Worum es im Konkreten geht 

(Am Beispiel des Debutromanes »Der Analphabet«)

Es hatte sich schnell herumgesprochen. Ein Mann mittleren Alters war augenscheinlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Es stellte sich bald heraus, daß es sich um einen Gattenmord handelte und seine Ehefrau stellte man dafür vor Gericht. – Doch darum geht es uns nicht.

Ulf-Michael hatte mit Elvira schon längst geschlafen; sie lieben sich. Atze, den man erst kürzlich tot entdeckt hatte, kannte er lediglich vom sehen und er wußte, daß seine Frau, Elvira, sich von ihm trenne. Es mag der Ruch des unnatürlichen Todes gewesen sein, oder waren es die mysteriösen Umstände, die zu dem Tod des gewalttätigen Analphabeten Atze Seebach führten, jedenfalls begann Ulf-Michael sich zu fragen, was die junge Frau an seiner Seite mit der Tat zu tun habe.

Maximilian, Michis Vater, kannte Atze vom Schulbetrieb, wo er Schuldirektor gewesen ist und er sorgte nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit ihm für seinen Schulverweis. Das Verhältnis war also gar keines mehr und nur durch Zufall stellte Jahre später Michis Mutter die Ehefrau des Opfers in ihrem großen Haushalt als Gehilfin ein. – Es war der Tag, an dem Maximilian pensioniert wurde, als sich plötzlich alle Herbas mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert sahen und es lag an dem sicheren Instinkt des Direktors, seiner besonderen Menschenkenntnis, die ihm der Schuldienst im Laufe seiner Dienstjahre beigebracht hatte, daß er sich sicher wurde, daß Elvira die Tat begangen hatte. Max setzte sich durch, veranlaßte im Hintergrund.

All dieses betrifft Ulf-Michael sehr, denn es ist seine Geliebte, die man hier aus seinem Hause holte und verhaftete. Er war machtlos hierbei. Irritiert und voller Zweifel ging er seinen Weg alleine weiter. Bald nahm er sein Studium auf – er wollte Lehrer werden. Elvira konnte er nicht vergessen, aber die Beziehung sah er abrupt für beendet und für nicht mehr aufrecht zu erhalten. Er verlor sich bald in neuen Liebeleien und zog aus mancher hierbei bittere Lehren. Allein Elsa, seine Schwester, stand ihm als hellsichtige Lebensberaterin, vielleicht nicht selbstlos, so doch mit gewisser Aufrichtigkeit bei, als er das ein oder andere Mal nicht mehr weiter wußte. Elsa empfahl ihm sogar, das Studium zu schmeißen; es passe nicht zu ihm und er solle doch etwas anderes machen – sich endlich selbst befreien.  Ulf-Michael ging seinen Weg, auf dem ihm der Genuß von Alkohol und der von weichen Drogen immer selbstverständlicher wurde. Er kannte keine Angst davor.

Menschen im Abseits

Nebenher gibt es sie, die Menschen im Abseits der Gesellschaft, die das Lesen und Schreiben, aus welchen Gründen auch immer, niemals erlernten. Man nennt sie die Analphabeten. Sie leben unauffällig zwischen der Mehrzahl jener, die in unserer hochentwickelten Welt lesend ihre Karriereleiter emporsteigen, sich in Büchern und Zeitschriften einen Durchblick über den Stand der Dinge verschaffen, dabei die Aktienkurse studierend, sich Ratschläge über die neuesten Trends einholen, wobei sie den Nerv der Zeit aufspüren, ihm nachgehen, nicht selten –jagen, um mitzuhalten, bei dem, was en vogue ist. Durch ihre Bücher erweiterten sie ihren Horizont, haben über Krieg und Frieden gelesen, außerdem über Liebe und Hass und sie erwarben hierbei ein Gerüst von Werten und Normen, die für alle zum Maßstab werden. Ein jeder Mensch, der lesen und schreiben kann, erhob so sein Selbstwertgefühl, lernte es, sich einzumischen und sich damit in manchem durchzusetzen. Sein Vermögen des Lesens und des Schreibens ebnete ihnen den Weg hierzu.

Zwischen ihnen behaupten sie ihre Verstecke, verhüllen sich dort in Schweigen und suchen dabei nach passenden Ausreden; immer, wenn sie bei offiziellen Anlässen etwas lesen müssen. Sie können es nicht. Dann weichen sie aus, suchen ihre Ausflüchte, nicht selten dabei in Verlegenheit geraten und mit gewisser Idiotie suchen sie mit besonderem Charme in ihren Gesten zu übertünchen, daß sie es wirklich nicht können. Es macht sie um so trauriger, wenn man sie durchschaut. Es isoliert sie und nicht selten verfallen sie der Sucht. Auch fernsehen kann uns süchtig machen. Dort erhalten sie im Besonderen ihre Signale, die sie verstehen und die sie ausliefern.

Ausgegrenzt

Von welchem Geist sprechen Atzes Worte und von welchem Neid stammen sie. Der Geist ist der von einem verlorenen Selbstwertgefühl und sein Neid entwickelt sich aus seiner Eifersucht. Sie zerstört Harmonie. Sie bezieht sich auf den Besitzstand und auf den gesellschaftlichen Status eines (aller) anderen. Sie setzt sich im täglichen Umgang miteinander immer durch, bestimmt die Interaktion zwischen ihnen, sorgt für Streit und (gegenseitige) Ausgrenzung, infolge einer übersteigerten, nicht selten aggressiven Abgrenzung voneinander. Ein jeder leidet es, auch weil er es selber wünscht, zum Selbstschutz vor übergroßer Vereinnahmung;  mitunter und in gemäßigter Form garantiert sie ein Wohlgedeihen in Vielfalt. Nur das andauernde Extrem sorgt für Zerfall, auch den der Sitten und der Rücksichtnahme auf sich selbst. Nur Lieblosigkeit führt zur Verrohung.

Atze, der wichtige Protagonist in der Nebenhandlung des Romans, litt unter allem sehr. Es stellte sich heraus, als man ihn hinterfragte, erst als es viel zu spät war. Ulf-Michael bekommt allmählich seine Rolle zugeschoben; die des Akteurs im Milieu der Verlierer, Aussteiger, Seher, Ausprobierer. Mit zeitkritischen Positionen hinterfragt er gesellschaftliche Entwicklungen in ihren unterschiedlichsten Tendenzen, ihren Wichtig- und Notwendigkeiten. Und er steigt ein, in dem er aussteigt. Aus seiner Beziehung zu Elvira, weil sie unter Mordverdacht stehend verhaftet wird. Aus seinem Beruf, weil er ihn einengt. Aus der Gesellschaft, weil er sie neu aufbauen will. Sein Tatendrang hinterläßt Kratzspuren in seinem Gesicht und mit jedem Schritt weiter in die Ausgrenzung – von den Standards und den Garantien auf seinem Wege, zurück in die Zukunft.

Verdrängung (Flucht in die Sucht)

Erschöpfung bestimmt ihr Dasein und sie resultiert aus den Anstrengungen gegenseitiger Verdrängung und Ausbeutung. Verdrängungen von ihren Positionen, Verdrängungen ihrer Probleme. Ausbeutung ihres Leistungswillens. Der Rausch erhöht sie neuerlichst, gaukelt eine Erträglichkeit ihrer Niederlagen bei den Kämpfen um Glück, Harmonie, Erfolg. Ihre Sehnsucht danach verzehrt sie. Immer höher, immer weiter und immer besser soll alles werden. Es gilt für jeden. Niemand will es, niemand darf es, soll es und sie treffen zusammen, um darüber zu reden und um sich gegenseitig zurückzunehmen. Auch das wird neu, alles (alle) neumachen. Die Droge ist das Medium ihrer Gemeinsamkeit. Verbotenes erhöht die Spannung im eigenen Leben und macht es um so wichtiger. Ulf-Michael wird sogar ins Ausland verdrängt, wegen einer Karriere, die er gar nicht will. Er will das Leben und den Beruf pur und er will es außergewöhnlich begehen. Der Genuß von Alkohol ist hierbei kein Problem, seine Bereitschaft zum Genuß weicher Drogen bagatellisiert er und sehr viel weiter würde er sowieso nicht gehen. Er unterschätzt das Suchtpotential des Stoffes, sei es Alkohol oder THC. Niemand spricht darüber, weil alle mit diesen Stoffen umgehen und man kann es doch noch gar nicht sehen. Es imponiert ihm, sein Leben so freiheitlich zu begehen und es macht ihn neugierig, wie Gernot damit umgeht und Michi will wissen, warum Gernot alles so unbeschadet übersteht.

Gernot braucht viel Geld. Michi ist lediglich ein weiteres seiner Opfer. Michi versteht es nicht, weil er es nicht verstehen will und weil er sich selbst noch nicht verstehen kann. Erschöpft von all den neuen Eindrücken, der harten körperlichen Arbeit, der er täglich über zehn Stunden nachgeht, der ungewohnten Ernährung und dem unwahrscheinlichen Durst, den er bei schweißtreibender Arbeit bekommt und den er mit mehreren Litern Bier, die er am Tage trinkt, wie ganz selbstverständlich löscht, bemerkt er nicht die Umstellungen seines Körpers, seines Stoffwechsels. Den Streß, den er auszuhalten hat, kompensiert er zunehmend mit Suchtstoffen. Die Auswirkungen, körperlicher Zerfall (Verwahrlosung), seelische Verstümmelung (Vereinsamung) realisiert er nicht. Daraufhin von anderen beiläufig, mitunter drastisch und erweckend angesprochen, entgegnet er ihnen wohl einsichtig, verharmlosend. Es sei doch schließlich noch lange nicht so weit. Wenn es schlimmer wird, wisse er sich zu helfen. Gernot hatte dann ein leichtes Spiel und er war froh, jemandem eine größere Menge zu einem guten Preis verkaufen zu können, weil er Schulden hat und für die eigene Sucht immer viel Geld benötigt. Michi war es lästig geworden und er wurde leichtfertig. Er war froh, als er Gernot wieder vom Halse bekam, als der ihn eines Tages sogar in seiner Wohnung aufsuchte. Michi hatte sich bei Gernot auch schon längst verschuldet und er hat es beglichen. Mit seinem Leben sogar, auf seiner Flucht davor, vor allem dem. Nein, hat er sich gesagt, als er sich die Spritze setzte. Er will es nicht und er würde es niemals tun. Nur dieses eine Mal, als sei einmal keinmal, und bis hierhin war ihm alles ganz egal. Atze, Elvira, der Zerfall des Elternhauses und seine drohende Arbeits- und Obdachlosigkeit bei der Rückkehr nach Hause, unbestimmt zurück nach Deutschland. Er machte einen Wandel durch, den er selbst bestimmte und der ihn zurückführte. Zurückführt in den Fetischismus, in Alkoholismus … in den Analphabetismus; in die Entfremdung … der Angst aus ihr … von seinem Zuhause … von seinem Leben. …

Fazit

Es wurde sein Lebenssinn: ein Ausbruch aus seinen etablierten Verhältnissen, hinaus aus dem Alltag eines Junglehrers und hinein in die Abenteuerwelt des Milieus. Er stoppte an Stationen menschlicher Verwahrlosung und zog hierzu selbst die Notbremsen. Unter Analphabeten verkamen seine Bildungsstandarts und sein Aufstieg verkehrte sich vom Erfolgsverwöhnten zu einer Kariere in der Sucht. Dieser Roman erhebt den Anspruch, in experimenteller Lyrik geschrieben worden zu sein. Hierbei kommt es dem Autoren nicht auf eine besondere Verklärung seiner Sprache an. Erzählt ist der Roman lebendig, in gegenwärtlichem Hochdeutsch verfaßt. Es ist der Aufbau der Erzählung und die Hervorhebungen in der Dramaturgie, die abweicht, die wagt und die experimentiert. Es ist der Fokus, der die Handlung hervorhebt; hier die Bewegungen der Menschen und von Menschen und ihre Motivationen zu Bewegungen und Bewegungsabläufen. Dieses an Schauplätzen der Welt, in Hamburg gleichermaßen wie in Lüneburg, in Zürich ausgiebiger als in Seoul, Pisa und Lissabon. Er spielt in der Zeit der Wende, hält eine Retrospektive auf westdeutsche Lebensverhältnisse im Jahre 1975 und beschreibt einen Teil des Weges zu einem Jahrtausendwechsel, der im Jahre 1995 abrupt endet.

What about Sex

Klappentext

Pauls Toleranz gegenüber der freien Sexualität bewahrte ihn bisher in der Erlebniswelt offener, promiskuitiver Liebesbeziehungen. Miriam kämpfte um ihn und um seine Treue in ihrer Beziehung. Doch Saschas Eifersucht zwängte sich zwischen sie und sie nahm mit ihnen einen fatalen Verlauf.

Erotik im Alter

Der Erotik-Thriller »Paul« setzt einen Fokus auf die Lebenssituation der Menschen im Pensionsalter und ihrem natürlichen Bedürfnis nach einer reifen Liebesbeziehung, innerhalb einer Beziehung, in der die körperliche Liebe ein selbstverständlicher und unverzichtbarer Bestandteil des Lebens ist, sofern die Partner über eine genügende Vitalität zum geregelten Verkehr verfügen und – möglicherweise aus Gründen einer überholten Sexualmoral -, keinesfalls auf Liebe und Erotik verzichten wollen. 

Die besiegte Logik des Protestes

Der auf eine Überschrift in einer Abhandlung über die Eindimensionalität des Menschen beruhende Titel bezieht sich auf Schriften des deutsch-amerikanischen Philosophen Herbert Marcuse. Ihm ist der Roman »Paul« unter der These gewidmet, wonach die freie Entfaltung der Libido wesentlich verschieden von der Freisetzung repressiver Sexualität ist. Einer besiegten Logik folgt Paul nicht, der nach seiner Pensionierung die freie Zeit und die damit möglich gewordene Chance zum Aufbau eines neu gestalteten Lebens nutzen will und deswegen einen Kontakt zu seiner alten Jugendliebe – es ist Miriam, die vor Jahrzehnten Deutschland verließ und sich in den Vereinigten Staaten eine Existenz aufbaute – aufnimmt. Sie verabreden, daß Paul sie für eine längere Zeit auf ihrem Anwesen in Florida besuchen soll. Die alte Liebe flammte nach ihrem Zusammentreffen wieder auf. Es ließen sich gemeinsame Pläne schmieden, vielleicht doch noch zu heiraten.

Der Antagonismus in der Handlung des Romans drängt sich mit Saschas Verhalten auf. Der junge, gutaussehende Mann ist Paul bereits im Flugzeug aufgefallen. Und sie trafen sich am ersten Tag ihrer Anreise in einer Bar auf Key West. Der promiskuitive und bisexuelle Paul bahnte ein kurzes Erlebnis in der Nacht an, bevor er sich auf dem Weg zu Miriam, seiner alten Jugendliebe machen wollte. Nach einem abenteuerlichen nächtlichen Beisammensein trennten sich beide Männer von einander, nach dem sie ihre Adressen ausgetauscht hatten. Sascha hatte ein Arbeitsverhältnis in einem Hotel in Florida angenommen und er wird von Gio, dem Inhaber des noblen Hotels, erwartet.

Sascha folgt einer besiegten Logik seines Protestes. Er hat Vergangenheit, saß für einige Jahre im Gefängnis, was zur Zerrüttung seiner Ehe führte. Seine geschiedene Frau vermittelte ihn, während er noch im Gefängnis saß; schließlich hole sich Gio jedes Jahr einen jungen Mann zu Ausbildungszwecken  in die Staaten. Sascha brach mit Hilfe seiner geschiedenen Frau aus dem Gefängnis aus und ließ sich mit Gios Hilfe in die Staaten einschleusen. Sascha hoffte, seine Vergangenheit abstreifen und sich auf diesem Wege ein neues, selbstbefreites Leben aufbauen zu können. Er sei knast-schwul geworden und er glaubte, mit Hilfe Gios nicht nur eine neue Existenzgrundlage geboten bekommen zu haben, sondern er glaubte an eine Möglichkeit seiner sexuellen Befreiung.

Gio folgte seinen Absichten. Der erfolgreiche Geschäftsmann produzierte nebengewerblich pornographische Filmerzeugnisse. Schnell und autoritär setzte er Sascha in einem solcher Filmbeiträge als pornographischen Akteure ein. Es kommt zu einer vielfachen Vergewaltigung, die Sascha hierbei über sich ergehen lassen musste. Es führte zur Desillusionierung. Die Hoffnung auf ein befreites, neues Leben zerplatzte im Verlauf eines einzigen Drehtages. Sascha durchschaute, das Gio ihn recht hochmütig und dekadent bloß benutzte und er witterte die Gefahr, dass er ihn nach den Dreharbeiten der Polizei ausliefert. Sascha entschließt sich zur Abrechnung. Er nutzt eine Gelegenheit bei einem Besuch eines Etablisment und besorgte sich eine Pistole. Postwendend suchte er Gio in dessen privater Wohnung auf und erschießt ihn, worauf hin er panisch den Tatort verließ und sich auf eine unheilvolle Flucht begab. Jetzt hoffte er auf Paul, der ihm bei einer Rückreise nach Europa behilflich sein sollte. Und er hoffte auf eine Möglichkeit eines vorübergehenden Unterschlupfes, so lange bis Paul seine Heimreise antritt.

Paul enttäuschte ihn, ohne dass er es ahnte, das Sascha bereits seinen Chef erschossen hatte. Im Beisein Miriams lässt Paul die flüchtige Bekanntschaft kühl abblitzen. Bei Sascha setzte es aus. Er hatte ja seine Pistole noch bei sich. Kurzschlusshandelnd erschießt er ausgerechnet Miriam. Paul konnte es nicht fassen und er hatte es zu befürchten, dass Sascha ihn jetzt als eine Geisel nimmt. Er versuchte es, Sascha zu überwältigen. Dabei kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung, wonach Sascha sich aus der Umklammerung Pauls befreite und panisch das kleine Büro auf Miriams Anwesen verließ. Er schoss auf diesem Fluchtweg wild um sich und er traf weitere Passanten, die ihm zufällig im Wege standen und die er schwer verletzte. Paul realisierte einen Amoklauf Saschas. Er veranlasste die sofortige Benachrichtigung der Polizei, bevor er sich mit Miriams Pistole bewaffnete, die sie in dem Schreibtisch  in ihrem Büro verwahrte, wovon Paul wusste. Er ergriff sich die Pistole und nahm die Verfolgung auf. Sascha war panisch auf ein Boot, das in dem kleinen Hafen bei Miriams Anwesen ankerte, gesprungen und hielt sich dort im Bug des Schiffes versteckt. Paul stellte ihn und mit Warnschüssen auf das Boot machte er es dem Amokläufer klar, dass er ihn lebend nicht von Bord lassen werde, bis die Polizei am Ort einträfe und ihn festnehmen wird. Sascha erkannte seinen Ausweg.

Kritische Würdigung

Der Roman ist als Erotik-Thriller experimentell in der Reihe »Poesie des Jähzorns« eingereiht. Mit ihm ist die dichterische Absicht erklärt, in dem oftmals sehr vulgären Segment pornographischer Schrifterzeugnisse eine Dichtung zu schaffen, die nicht sexistisch animiert, sondern  durch eine philosophische Bezugnahme sozialkritisch den Leser anspruchsvoller erotischer Literatur geistreich mit den Problematiken gleichgeschlechtlicher Beziehung, Männer in der Prostitution und Sexualität des Menschen im Alter zu konfrontieren.

Trilogie des Schreckens

In der Reihe Poesie des Jähzorns lassen sich drei Werke als ein zusammenhängender Sammelband auffassen, der jeder für sich ein zusammenhängendes Thema abhandelt und nicht als ein Fortsetzungsroman aufzufassen ist. Ein inhaltlicher Zusammenhang besteht im historischen Verlauf der Geschichten, beginnend mit den Studentenunruhen in West-Berlin des Jahres 1967. Der aus dieser Problematik entstandene Links-Terrorismus der `70er Jahre und wie er sich auf den unterschiedlichen Bühnen des politischen Welt-Theaters abspielte, schafft den inhaltlichen Zusammenhalt der einzelnen Werke in dem Zyklus.

All das von dem sie wüsste

Im Zentrum der eher tragisch abgehandelten Geschichte steht der damals zu einem Aufruhr führende Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg, dessen Tod und seine Umstände – Ohnesorg war von einem berliner Polizisten erschossen worden – einen lautstarken Protest in der Berliner Studentenschaft bewirkte. Aus dem Protest gegen die Willkürhandlung des Polizisten und dem sich daran anschließenden Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung zu diesem Sachverhalt (Fall Ohnesorg) entwickelte sich eine politische Bewegung, die sich APO nannte, die sogenannte Außerparlamentarische Opposition.Die wichtigen Personen im Protagonismus der Dichtung sind drei junge Frauen, die sich damals der Protestbewegung anschlossen und später als linksgerichtete Terroristinnen, darunter die damals zu einem großen Ruhm gekommene Journalistin Ulrike Meinhof, unter den Argusaugen einer medial gesteuerten Öffentlichkeit wegen diverser Schwerstverbrechen, darunter Mordanklagen, vor der großen Strafkammer des Stuttgarter Oberlandesgerichtes verhandelt wurden. Die Legende erzählt den Werdegang dieser Frauen und in Episoden ihre Verwicklungen bei terroristischen Aktionen auch im Zusammenhang mit einer Nähe zur Politischen Polizei West-Berlins, im Grunde einer Nachfolgeorganisation der von der NS ins Leben gerufenen Gestapo.Die sehr authentisch geschilderten Sachverhalte in der Novelle nehmen einen starken Bezug zu der revolutionären Situation, in der sich Deutschland hauptsächlich durch die leidvolle Erfahrung mit dem 1. und den 2. Weltkrieg befand. Die historische Situation im Jahr 1967 stand damals sehr unter dem Einfluss des Kalten Krieges, und wie er sich im Großmachtsgefüge in der Weltpolitik als ein Ost-West-Konflikt herausstellte, als ein Konflikt der Bündnisse. Die Stadt Berlin war dadurch von einer Mauer in zwei Teile getrennt worden und man sprach in den studentischen Kreisen von einer Frontstadt-Situation, weil sich die Armeen der Großmächte USA und Sowjetrussland mit Panzern und schwer bewaffneten Soldaten gegenüberstanden und sich gegenseitig bedrohten, wobei auch Schüsse in Berlin am Tage des Mauerbaus fielen. Und nicht allein die Stadt Berlin litt unter der Teilung, sondern es galt für das ganze ehemalige deutsche Reich. Nach dem Krieg wurden zwei deutsche Staaten gegründet, die am Ende der 60er Jahre noch sehr jung waren. Nach zwanzig Jahren war inzwischen eine junge Nachkriegs-Generation herangereift, die sich jetzt auf eine Auseinandersetzung mit der älteren Generation einließ und deren Nazi-Vergangenheit kritisch zu hinterfragen begann. Es hatte für Deutschland und die Deutschen eine Periode der Vergangenheitsbewältigung zu bedeuten gehabt, die jetzt einsetzte.Für die deutsche Linke war weder der studentische Protest, der sich zumeist auf hochschulpolitische Problematiken bezog, noch eine Vergangenheitsbewältigung von Belang. Insgesamt teilten sich linke Strömungen in unterschiedlichen Gruppierungen des Moskau-orientierten Marxismus und einer China-orientierten maoistischen Bewegung. Diese Strömungen, die sich häufig in kleinen Parteien zusammenschlossen, folgten sicherlich den Dogmen der kommunistischen Revolutionen in Russland und China, von ihnen ging aber keine direkte Umsturzgefahr in der Bundesrepublik aus, zumal sich solche Parteien zumeist unter einer Kontrolle des bundesdeutschen Verfassungsschutzes befanden. Diese Parteien zeigten im Übrigen zu einem offenen bewaffneten Widerstand keine Bereitschaft. Die in der Legende auftretenden Personen galten der bundesdeutschen Justiz allerdings als Anarchisten, die sich auch offen gegen die besagten Links-Parteien aussprachen, die aber einem bekannten maoistischen Dogma folgten, wonach die politische Gewalt aus den Gewehrläufen herstamme. Die Justiz fasste es so auf, dass die Baader-Meinhoff-Gruppe, um die es in der Legende jetzt geht, deshalb zu einem bewaffneten Widerstand in der Bundesrepublik aufrief und selbst zu terroristischen Gewaltaktionen, darunter die Deponierung von Sprengsätzen in dem IG-Farben-Haus1 in Frankfurt am Main und in dem US-Hauptquartier in Heidelberg, bereit wurden. Es kam zu Todesfällen bei der Explosion dieser Sprengsätze. Das Ereignis wurde zum Grund für eine spektakuläre Verhaftungsaktion, die auch im Fernsehen übertragen wurde. Später waren diese Anschläge der Gegenstand der Verhandlung in Stuttgart.

Sie stand von Anbeginn ihrer terroristischen Laufbahn in einer engen Beziehung zu Beamten und Politikern der bundesdeutschen politischen Bühne und des west-berliner LfV. Dort hielt man sie für eine Informandin. – Als sie feststellte, dass der vorsitzende Richte bei einem Prozess gegen einige Genossen selbst ein Verbrechen zu organisieren beginnt, in das sie mit hineingezogen wird, beginnt sie sich gewalttätig zur Wehr zu setzen. Ihr zunächst politisch motivierter Kampf verpuppte sich zur Privatsache, wurde zu einem Akt der Emanzipation einer jungen Frau, die sich nicht rächte, wenn sie nur Rache verübte, die sich um Netz der Spionage verging, wenn sie sich befreien wollte.All das von dem sie wüssteEine Legende von J. D. SchulzeBooks on Demand, NorderstedtISBN: 978-3-7460-7579-21. Auflage: 2018

Stilistisch sind der Geschichte Sätze aus den Gesetzen des griechischen Philosophen Platon überstellt. Diese Sätze beziehen sich auf Unruhen in der Zeit der Antike und sind von einer zeitlosen Gültigkeit. Daneben sind experimentell einige Gesänge aus der Dichtung Illias, dem ersten dichterischen Werk in der Menschheitsgeschichte, des griechischen Dichters Homer in den Aufbau der Legende eingeflochten. Es soll zu einem Gespür und auch zu einem besseren Verständnis für die politischen Verhältnisse in der Antike verhelfen. Insgesamt kommt es zu einer Konfrontation mit diesen Beiträgen aus der Literatur der Welt und den Lesern der Legende »All das von dem sie wüsste« im Zusammenhang mit der Gründung eines Staates.Die Tragende Handlung in der Geschichte ist allerdings dem Kampf der Roten Armee Fraktion an unterschiedlichen Schauplätzen zugewiesen, bei terroristischen Aktionen, die niemals direkt der kommunistischen Revolution dienten, sondern sich gewaltsam gegen den Imperialismus der westlichen kapitalistischen Staaten richteten. Das sind zum Einen Aktionen in West-Berlin gegen die britische und amerikanische Militärpräsenz. Ferner Aktionen gegen die US-Militäreinrichtungen in West-Deutschland, dem Anschlag einer palästinensischen Terrorgruppe in München während der Olympischen Spiele, später dem Überfall auf die Deutsche Botschaft im schwedischen Stockholm. Ein weiterer wichtiger Teil des Werkes ist die Abhandlung der Gerichtsverhandlung in Stuttgart.Die Legende ist kein Abenteuer-, sondern vielmehr ein Historienroman zum Thema »Staatsgründung« mit einem religions-philosophischen Hintergrund. Dieser drängte sich mit der Bezugnahme Platons auf die antike Gottheit Zeus auf. Schließlich war auch der RAF-Terror von einer Glaubens-Apologetik durchdrungen. Sie gibt ein Zeugnis von einem blutigen Polit-Sektierertum, das schließlich in der Legende mit der Ermordung des west-deutschen General-Bundesanwaltes Buback den Schlusspunkt in dieser Legende setzt.

Aus vollem Lauf

Ein Universial-Soldier in Späh: Dieter Schlechter. Seine Lebensgeschichte erzählt nicht nur von seiner Persönlichkeitsentwicklung sondern von seiner politischen Reifung an den realpolitischen Begebenheiten und wie sie zur Zeit des Kalten Krieges in Deutschland vorherrschten. Und sie reibt sich an den Ereignissen am Tage des 11. Septermbers 2001 auf; an jenem Tage also, an dem sich die Welt verändern sollte. Eine Erzählung, die in der Darstellung ländlicher Lebensverhältnisse Nord-West-Deutschlands beginnt, die sich anderen Ortes zu militarisieren beginnen. Eine Geschichte, die sich an der Banalität eines gärtnerischen Lebens nicht aufhält, sondern sich zu einem spannenden Politthriller entwickelt und wie er sich nur in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ausgestalten konnte. Eine dramatische Auseinandersetzung mit dem sich überall aufdrängenden Welt-Kommunismus ließ sich in diesem Werk nicht umgehen. Doch der anti-imperialistische Kampf zu jener Zeit stellt sich hier nur als eine perfide Form des krassierenden Welt-Terrorismus heraus, wie er am 11. 09. 2001 seine Fortsetzung gefunden und wobei lediglich die Ideologie des Todes hierbei vom politischen zum religiösen Motiv eine Wandlung erfuhr.

Behaviour – Zu anderer Zeit

Narrationen bei polizeilicher Aufklärungsarbeit

Narration? Nun, die einen sprechen über verhalten, die anderen über verschlampen, wenn es um die beurkundete Darstellung eines Ereignisses geht. Im Mittelpunkt dieser Erzählung steht der Mord an den Generalbundesanwalt Buback, eines Ereignisses, das in der Karwoche des Jahres 1977 stattfand und durch eine intensive Medienarbeit, innerhalb der das Geschehen ausührlich publiziert wurde, die Gemüter der bundesrepublikanischen Bevölkerung aufschreckte. Der Mord stellte sich am Ende des Jahres `77 als ein Anfang einer ganzen Mordserie heraus, in deren Verlauf zwei weitere Mordtaten an namhaften Personen des bundesdeutschen öffentlichen Lebens begangen wurden. Es handelte sich in allen drei Fällen um politisch motivierte Gewalttaten der linksgerichteten Terrororganisation, der Roten Armee Fraktion, kurz RAF genannt.

Nach einer dreißigjährigen Ermittlungsphase durch Polizei, Bundesverfassungsschutz und den Gerichten kam es im Jahr 2009 zu der Verhaftung einer Frau, der man nun vorwarf, sie habe möglicherweise auf den Generalbundesanwalt geschossen und ihn mit 15 Schüssen aus nächster Nähe mit einem Maschinengewehr getötet.

Die Geschichte knüpft an eine nun folgende Gerichtsverhandlung an, in der der Sohn des ermordeten Generalbundesanwaltes ein ausführliches Plädoyer vorträgt, von dem es zu erwarten war, daß er auf eine Sühne für die begangene Gewalttat und natürlich auf eine Verurteilung der Beschuldigten hinwirkt. Parallel zu den detailiert präsentierten Fakten des auf Mord plädierenden Sohnes, der sich präziese um eine Aufklärung des Falles in mikrokrimineller Hinsicht bemühte, setzt sich die Geschichte in einer Parabel durch, die sich auf damalige, weltpolitische Umstände bezieht und hierbei die Bedeutung des makro-kriminellen Hintergrundes aufzudecken versucht. Als eine Narration erzählt die Geschichte über mögliche Einbindungen der Angeklagten in Aktionen, die namhafte Welt-Politiker recht hinterhältig in ihren Händen hielten, bei Verbrechen, die offiziell vonTerroristen der RAF begangen worden sein sollten, wobei die Angeklagte maßgeblich mitwirkte.

Die Narration der Ereignisse muß in dieser Geschichte als eine beurkundete Darstellung des Wesens des ehemaligen deutschen Diktators Hitler verstanden werden, in einer Gegenüberstellung des roten Terrors in der Bundesrepublik der `70er Jahre. Hitler sprach von »befreien«, wenn er überhaupt über die Endlösung in seiner Judenfrage sprach. Die RAF-Leute sprachen von »sühnen«, wenn es ihnen darum ging, vorgeblich mit ihren Aktionen gegen ehemalige Mitglieder des nationalsozialistischen Terrorapparates in Partei, Wehrmacht und SS vorzugehen, nun abzurechnen, und somit die Verbrechen der Nazis zur Sühne führen wollten. Jedoch handelte es sich in beiden Fällen um das selbe, nämlich um »vernichten«, also um die Vernichtung ihrer Gegner, wobei sie mordeten. Im Volksmund sagt man dazu geradezu sprichwörtlich es sei »Jacke wie Hose«, bei dem Versuch, die Qualität der Verbrechen beider Terrororganisationen, NS und RAF, zu beurteilen. Im kriminalistischen Sinne ist also das gleiche und nicht das selbe.

Mit der Gerichtsverhandlung wurde im Übrigen die juristische Aufarbeitung des roten RAF-Terrors bezweckt und mit der Verurteilung der Angeklagten, die übrigens nicht als aktive Mörderin verurteilt wurde, letztmöglich geworden und somit abgeschlossen. Die Terrorgruppen im RAF-Millieu hatten schon bald nach der Deutschen Wiedervereinigung die Terrororganisation Rote Armee Fraktion für aufgelöst erklärt.

Klappentext:

Die in der Erzählung dargelegte Faktizität geschichtlicher Ereignisse während der Aufbauphase des revolutionären Staates nach dem verlorenen ersten Weltkrieg setzt einen Fokus auf das terroristische Unwesen des Nazi-Fährers Adolf Hitler und den Folgen dessen terroristischen Handelns. Mord als die unbedingte Methode zur Machtergreifung, ihres Ausbaus und Erhaltes, führten nicht allein zu dem Untergang des Staates, sondern zu einer nachhaltigen Schockwirkung auf die Seelen der Menschen im vollkommen zerstörten Land, die sich den Vorwurf, sie trügen durch ihre Unterstützung der Nazis eine große Schuld und Mitverantwortung, gefallen lassen sollten. Tatsächlich machte Verena eine gemeinsame Sache, wenn sie mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitete und, wenn auch terroristisch – so doch präventiv auf ihre Ziele hinwirkte, die tatsächlich Ziele der Polizei gewesen seien. Aber sie wirkte nur indirekt für den Bundesanwalt und dieses schon gar nicht, wenn sie auf ihn schoß. Sollten Intrigenspiele zur Tat führen, damit der strafbar handelnde Polizist aus dem Fokus der Bundesstaatsanwaltschaft und somit dem des eingeweihten Generalbundesanwaltes geriet? Nahm sie für den Dreifach-Mord in Karlsruhe Geld? Ihr Handeln verschwindet in der Undurschschaubarkeit der Mystik einer triebhaften und tollkühnen Soldatin der Roten Armee Fraktion, als wolle sie, ganz ähnlich wie Hitler, zur großen Weltenretterin aufsteigen, wenn sie den General nicht erschießt, sondern die Menschen im Volk von ihm erlöst, weil er ein Nazi sei? War sie eine Auftragstäterin von Geheimdiensten und einflußreichen Welt-Politikern? Verena läßt die sich aufdrängenden Fragen unbeantworet und verhüllt sich in Schweigen. Wenn Kette es von ihr glaubt, dann soll er es dem Gericht beweisen. In dieser Erzählung offenbart er mit seinem Plädoyer Fakten und Hintergründe, die zur Klärung des Sachverhaltes maßgeblich beitragen.

1 ein NS-eigenes chemisches Industriewerk, in dem im Verlauf des 2. Weltkrieges das giftige Cyklon-B hergestellt wurde, das in ost-europäischen Konzentrationslagern zur Vergasung von Menschen eingesetzt wurde.